Kälberaufzucht – die Kinderstube der Milchproduktion
Der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Hollmann
Auf dem obigen Foto ist der Milchkuhbetrieb der Familie Hollmann zu sehen. Er ist einer von 323 im Ammerland noch wirtschaftenden milcherzeugenden Betrieben, in denen durchschnittlich 106 Milchkühe gehalten werden (LSN, Landwirtschaftskammer Niedersachen 2019). Es werden insgesamt 140 ha bewirtschaftet. Auf 70 ha Ackerland wird 54 ha Mais für die Silagebereitung zur Futtererzeugung und 16 ha Winterweizen angebaut. 70 ha werden als Grünland bewirtschaftet und entweder beweidet oder für die Grassilage- und Heuerzeugung genutzt.
Insgesamt stehen 140 Milchkühe im Boxenlaufstall der Familie Hollmann. Sie haben eingestreute Liegeboxen, zwei Massagebürsten und werden mit zwei Melkrobotern dreimal pro Tag gemolken. Hierbei kann jede Kuh selber entscheiden, wann sie zum Roboter geht um sich melken zu lassen. Eine Kuh gibt hier durchschnittlich 11200 kg Milch pro Jahr. Das entspricht ca. 36 Liter pro Tag. Bevor sie das nächste Kalb bekommt, wird sie 8 Wochen „trocken gestellt“. Das bedeutet, sie geht in den Mutterschutz, damit sie sich auf die Kalbung und die neue Laktation (Zeit, in der sie Milch gibt) vorbereiten kann.
Um täglich Milch zu geben, muss eine Kuh jedes Jahr ein Kalb bekommen. Sie bringt dieses nach 9 Monaten und ein paar Tagen Tragezeit im Normalfall ohne Hilfe im Abkalbestall auf Stroh zur Welt. Der Landwirt greift nur ein, wenn Komplikationen auftreten. Gründe für Hilfestellung können beispielsweise eine verdrehte Lage des Kalbes oder eine schwache Wehentätigkeit sein.
Direkt nach der Geburt wird das Kalb von der Kuh getrennt. Der wichtigste Grund ist die Sicherstellung der Kollostralmilchaufnahme (Muttermilch) in den ersten drei Stunden. Das Kalb sollte ausreichend Milch (ca. 3 Liter) der Mutter in dieser Zeit aufnehmen, da diese Antikörper gegen Krankheitserreger aus der Umwelt enthält und die Durchlässigkeit der Darmwand des Kalbes hierfür stündlich abnimmt. Außerdem bildet sich gar nicht erst eine Mutter-Kind-Beziehung aus, so dass der Trennungsschmerz vermieden wird. Das Kalb wird in eine saubere und mit frischem Stroh eingestreute Kälberbox gebracht, was eine individuelle Fütterung und Gesundheitskontrolle möglich macht. Dort verbringt es die ersten 14 Tage mit Sichtkontakt zu anderen Kälbern und wird zweimal täglich mit dem Nuckeleimer gefüttert. In diesem Betrieb wird den Kälbern morgens und abends so viel frische Milch angeboten, dass die Kälber jeweils bis zur nächsten Fütterung Milch zur freien Verfügung haben. Diese Methode nennt sich „Ad libitum Fütterung“. Da kleine Kälber einen ausgeprägten Saugreflex haben, wird das Besaugen untereinander durch Einzelhaltung vermieden. Ein weiterer großer Vorteil der Einzelhaltung ist die Hygiene. Krankheitsübertragungen untereinander werden vermieden. Die Einzelhaltung in den ersten 2 Wochen wird ausgewählt, weil die Haltung der Kühe im Boxenlaufstall und der erforderliche Melkvorgang nicht gemeinsam mit den Kälbern möglich ist. Außerdem entwickeln die Kühe einen Beschützerinstinkt, wenn Sie die Kälber um sich haben, was zu einer Gefährdung für den Landwirt führen kann.
Mit einem Alter von ca. 14 Tagen kommen die Kälber dann in eine Gruppe in mit Stroh eingestreute Buchten (Gruppenbuchten). Hier erhalten sie noch weitere 65-70 Tage Milch aus dem Tränkeautomaten und zusätzlich Heu und Kraftfutter, damit sich ihr Vormagen (einer der vier Mägen bei Rindern) langsam an die Aufnahme von strukturreicher Nahrung gewöhnen kann. Wasser steht ihnen hier jederzeit zur freien Verfügung. Am Ende der Tränkephase wird die Milchmenge täglich etwas reduziert, so dass die Kälber mit ca. 3 Monaten vom Automaten abgesetzt werden können.
Die weiblichen Kälber werden im Betrieb zur Bestandsergänzung, im Sommer auf der Weide, aufgezogen und die männlichen in einem Alter von zwei Wochen verkauft und an Bullenmastbetriebe weitergegeben. Da männliche Kälber der milchbetonten Rassen wenig Fleisch ansetzen, ist die Mast nicht wirtschaftlich interessant. Daher werden für männliche Kälber nur geringe Preise bezahlt.